Dr. Edmund Berndt
Atterseestr.57
4860 Lenzing
Vizekanzler
Dr. Wolfgang Schüssel
Minoritenplatz 3,
1014 Wien Lenzing, am 27.11.1998
Betreff: Entsorgung ausrangierter Gesetzestexte, 4. Entsorgungslieferung nach dem „64. Nachtrag und Berichtigung der Gesetze und Verordnungen für die österreichischen ApothekerInnen" November 1998
Hochgeehrte Excellenz!
Das Jahr ist fast zu Ende, aber rechtzeitig ist noch ein Packerl „Gesetzblätter" zum Einordnen und Ablegen eingetrudelt. Es sind nur magere 92,1 Gramm. Wahrscheinlich war Wichtigeres zu beschließen und zu verordnen, und so sind es diesmal etwas weniger Blätter, aber ich freue mich feststellen zu können, daß das vorausgesagte halbe Kilo Gesetzpapier pro Jahr 1998 mit Bravour erreicht und um 26,5g sogar übertroffen wurde. Das sind 5,3% über dem Soll! 92,1g waren also mehr als ausreichend, und was nicht alles verordnet und gesetzlich geregelt werden konnte.
Einen Quantensprung vor allem für die ärztliche Versorgung von Politikern bedeutete sicher das Quasiverbot von Apotheken auf dem Lande. Dank auch der Stimmen Ihrer Fraktion konnte die Elimination der öffentlichen Apotheke auf dem Lande, zumindest für die nächsten 10 Jahre, fast schon verwirklicht werden. Dieser zukunftsweisende Teilerfolg soll ein Ansporn sein, weiter so wie bisher die Bemühungen des Hauptverbandes der Sozialversicherungen, der Arbeiterkammer , diverser Gesundheitspolitiker und Ärztevertreter zu unterstützen, die öffentliche Apotheke abzuschaffen. Das geht nicht von heute auf morgen, aber scheibchenweise die Funktion und die Leistungsmöglichkeiten durch Änderungen und Neuerungen, durch umfangreiche Verregelungen und unerfüllbare Vorschriften kurzum durch partnerschaftliche Schreibtischtaten einzuschränken, sind eine seit Jahrzehnten bewährte Methode.
Ziel kann es nur sein, die Bürger von Transparenz, freier Entscheidung und Kontrollmöglichkeiten zu verschonen, und die Funktionstrennungen aufzuheben, die uns ein falsch verstandener Liberalismus als Schutz vor Übervorteilung und Bereicherung beschert hat. Gerade aus der Politik wissen wir, daß eine Häufung von verschiedenen Funktionen besonders geeignet ist, das Wohl der Mitmenschen zu garantieren und jedes Annehmen eines persönlichen Vorteils ausschließt.
Dies trifft natürlich auf das Gesundheitswesen in besonderem Maße zu, zumal sich die Patienten ja ohnehin bestens auskennen. Es ist also davon auszugehen, daß die in Politik, in Kammern, Gremien und dergl. erfolgreichen Funktionskumulierungen auch hier segensreich und lauter sind, und außerdem arbeiten hier Menschen, die nicht so einen Leumund wie Politiker haben.
Ich ersuche Sie auch in Zukunft in diesem Sinne nicht nachzulassen und auf Ihre werten Kollegen dementsprechend einzuwirken, denn die Apotheker und Apothekerinnen arbeiten immer noch.
Leider hat es heuer Rückschläge gegeben. So konnte in einzelnen Bundesländern nicht verhindert werden, daß Impfstoffe für Kinder halbwegs, aber nur halbwegs(!), bequem über die öffentliche Apotheke zu günstigen Bedingungen abgegeben werden durften. Aber bitte nicht aufregen, die Sache ist halb so wild und sicher nur von kurzer Dauer, denn dafür, so darf ich Ihnen und Ihren werten Kollegen versichern, mußten die Apotheken, der Arzneigroßhandel und die Impfstoffhersteller einen gigantischen Bürokratiegau schlucken, der auf Dauer nicht verdaut werden kann. Und es kann Sie zu Recht mit Genugtuung erfüllen, daß dafür nichts anderes als die Effekthaschereien, Profilierungsneurosen und Eifersüchteleien von Gesundheitsstellen und Gesundheitspolitikern der verschieden Couleurs verantwortlich sind. Gegen den Zwang der Gesundheitsbürokratie, das Rad neu zu erfinden und sich mit unersetzlicher Wichtigkeit zu brüsten, ist zum Glück weder ein Kraut gewachsen noch haben die ApothekerInnen dagegen Drageés, und so müssen Sie nur ein bißchen abwarten, bis sich der Rückschalg von selbst erledigt.
Die vorhandenen Apothekenbetriebe und deren in Jahrzehnten optimierte Logistik bieten maximale Möglichkeiten zur Abgabe, Abrechnung und Dokumentation von Impfstoffen, aber es ist noch nicht vorgesehen Arzneimittel kombiniert mit Votivbildern von Politikern gleich Abziehbildern mit Fußballern abzugeben. In diesem Zusammenhang soll nicht unerwähnt bleiben, daß die Juristen eh schon herausgefunden haben, daß Impfstoffe keine richtigen Medikamente sind, und daher ohnehin in Apotheken nur mehr geduldet sind.
Trotzdem es war ein Rückschlag und ich darf hoffen, daß Sie und Ihre werten Kollegen, insbesondere auch Ihre Parteikollegen Dr. Rasinger und Dr.Leiner, nicht verzweifeln. Sie werden diese Scharte auswetzen, und das Impfwesen in Österreich wieder das Niveau von Entwicklungsländern hinführen. Ich bin sicher, daß ich dazu keine Vorschläge machen muß!
Wie es wirklich weitergehen soll, kann Ihnen ein Blick ins Verterinärwesen zeigen. Dort dürfen Tierärzte in ihren Praxen gleich jegliche Arznei und sonstige Mittel (Nahrung und Pflege etc.) für Hund und Katz mitverkaufen, und alle wissen dann immer ganz genau wieviel für Behandlung bezahlt wurde, und was für den Zusatzverkauf aufgewendet wurde. Verschiedene Firmen haben sich daher spezialisiert und liefern bestimmte Präparate und Mittel nur mehr an Tierärzte zur zielgerichteten Verwendung aus.
Wurde nun einem Fachmann so ein Präparat zwecks Auskunft über Wirkung und Preis unter die Nase gehalten, so konnte man, soferne es sich um ein in Österreich registriertes Arzneimittel handelte, sofort nachschlagen und Auskunft geben. Dieser unerhörten Einmischung in die tierärztlichen Künste wurde nun ein Riegel vorgeschoben, denn es wurde per Gesetz den Tiermedizinern gestattet, sich im nahen Ausland mit einem Tagesbedarf an Tierarzneimitteln für ihre Arbeit einzudecken. Man sieht, es geht manchmal auch einfacher als man glaubt. Mußte noch vor kurzem für die offizielle Einfuhr einer einzelnen Schachtel Viagra dem Ministerium ein Rezpet vom Urologen zu Einfuhrbewilligung vorgelegt werden, so braucht der Dorfstier um sein Pulverl nicht so lange bangen. Es versteht sich von selbst, daß dabei jegliche Möglichkeit für Mißbrauch und Steuerschonung ausgeschlossen ist, und jede Ähnlichkeit mit den vom Konsumentenschutz so favorisierten Verkaufsparties und ähnlichem mehr rein zufällig ist.
Nun gestatten Sie mir, mich für heuer zu verabschieden. Ich wünsche Ihnen und Ihren Kollegen noch viele schöne Stunden im Parlament und bei der Regierungsarbeit. Sehnsüchtig erwarte ich schon das neue Jahr mit den vielen neuen Gesetzen und Verordnungen für ein schöneres und sicheres Leben!
Mit dem nach den Gesetzen geziemender Hochachtung!
Dr. Berndt, Apotheker und Untertan
Daten zur Statistik: 61. Nachtrag 117,9g
62. Nachtrag 163,5g
63. Nachtrag 154,0g
64. Nachtrag 91,1g relevantes Gesetzpapier
526,5 Jahresproduktion 1998 / Apotheke
Anlage: 1 Packerl alter Gesetzesblätter zur Durchsicht und Entsorgung