Dr. Edmund Berndt

Atterseestr.57

4860 Lenzing

 

Vizekanzler

Dr. Wolfgang Schüssel

Minoritenplatz 3,

1014 Wien                                                                         Lenzing, am 29.06.1999

 

 

Betreff: Entsorgung ausrangierter Gesetzestexte

5. Entsorgungslieferung nach dem „65. Nachtrag und Berichtigung der Gesetze und Verordnungen für die österreichischen ApothekerInnen" Jänner 1999

und

6. Entsorgungslieferung nach dem „65. Nachtrag und Berichtigung der Gesetze und Verordnungen für die österreichischen ApothekerInnen" Mai 1999

 

Hochgeehrte Exzellenz!

 

 

Rechtzeitig vor Ende des Halbjahres ist doch noch eine 2. Lieferung für das heurige Jahr eingetroffen. Im geheimen befürchtete ich schon, daß durch die Wahlkämpfe für EU und Nationalrat das Beschließen und Erlassen von Gesetzen und Verordnungen beeinträchtigt sein könnte, aber dem war nicht so. Dem fleißigen Parlament sei Dank! Es gibt halt doch positive Überraschungen.

 

Mit Freude darf ich Ihnen mitteilen, daß 347,7g apothekenrelevante Gesetze quasi zur Halbzeit schon produziert wurden, was erwarten läßt, daß die Prognosen für die Gesetzproduktion auch 1999 trotz Wahlen halten werden. Immerhin, die fast 100 Gramm über dem Plansoll zur Jahresmitte sind eine echte Reserve. Nun können die Damen- u. Herrenmenschen in der gesetzgebenden Versammlung, also auch die Parlamentarier der Volkspartei, ihre Kräfte nach Bedarf noch siegbringend umschichten, ohne daß der Gesetzesstrom versiegt.

 

Die letzte Attacke der Ärzteschaft gegen die Apotheke wurde mit bemerkenswerten Argumenten geführt. Unser Service ist den Ärzten zu gut, und wir sind zu viel gebildet. Sie sollten diese Stimmung nützen und per Gesetz und Verordnung das Niveau senken und die Befugnisse weiter beschränken. Als Politiker sollten Sie einerseits an die zahlreichen Stimmen der Ärzte beiderlei Geschlechts, der Angehörigen und des ärztlichen Personals denken, das in Medizin familiär angebildet worden ist, und andrerseits, man kann ja nie wissen, was passiert, sollten Sie sich die Möglichkeit von kostengünstigeren Sonderbehandlungen, Extraterminen und sonstigen Vorteilen sichern. Sie müssen sich gar nicht vorstellen, daß der Arzt oder die Rettung nicht rechtzeitig kommen. Es genügt daran zu denken, im Spital am Gang oder auf der allgemeinen Gebührenklasse mitten unter dem gemeinen Volk zu liegen und an sich Turnusärzte üben zu lassen. Die Journalisten haben schon begriffen, daß es nützlich ist, die Wünsche und Vorstellungen der Mediziner nicht weiter zu hinterfragen und drucken mehr oder weniger alles unkommentiert ab.

 

Gratulieren darf ich Ihnen noch zur Arzneipreisstudie Jungbauernschaft. Die unsachliche Art und die hinterhältige Weise, wie solche Expertisen gemacht werden, begeistert immer wieder. Typischerweise werden unter strengster Geheimhaltung durch Weglassen störender Begleitumstände Auftragsergebnisse zusammengebastelt. Diemal wurden mit der sprichwörtlichen Bauernschläue streng wissenschaftlich die Statistiken so angelegt, daß die Arzneipreise in Österreich 20 % über dem Europanivau liegen. Auf die gleiche saubere Weise lassen sich die Agrarpreise in Österreich auftragsgemäß von jedem x-beliebigen Experten evaluieren. Man rechne den Erdäpfelpreis aus Marokko und Österreich zusammen, halbiere und stelle dann fest, daß z.B. die Agrarerzeugerpreise in Österreich um 200 % über dem Weltmarktpreis liegen, und erkläre dann den Bauern, daß sie viel zu viel verdienen. So volksdümmlich geht es nicht einmal an den Stammtischen zu.

 

Diesmal habe ich mir erlaubt, ebenfalls wirtschaftlich zu sein und die 2 Entsorgungslieferungen rationell zusammenzufassen. Ich hoffe, daß das Paket Sie in angemessener Zeit erreicht! Die Post ist ja nicht billiger geworden sondern nur umständlicher und langsamer. Jetzt wird nämlich nicht mehr in Lenzing oder Attnang-Puchheim oder gar wie früher im Zug, in der Westbahn, sortiert, sondern in Linz dazu ausgeladen und zentral sortiert. Konnte in der Monarchie noch der Postweg von Linz nach Wien und umgekehrt auf zig Minuten geschätzt werden, so kann man sich heute dank Rationalisierungen für die gleiche Strecke nur um ein paar Tage irren.

 

Nun wollen die Briefträger auch Medikamente zustellen. Zu Ihrer Information darf ich Ihnen sagen, daß dies die Apotheken schon tun. Aber ob es den Postlern ohne kräftige Gebührenerhöhungen und außerordentlichen Gefahrenzulagen gelingen wird, die Wegzeiten unter den Ablaufdaten zu halten, bleibt abzuwarten.

 

Weitere Möglichkeiten, um Einsparungen im Gesundheitswesen zu verhindern, bieten sich noch mit der neuen Chipkarte an. Hier gilt es, die Bedingungen so zu gestalten, daß die angestrebten Spareffekte ad absurdum geführt werden. Dazu ist es nur notwendig den Argumenten der Datenschützer und der Ärzte nachzugeben und die öffentliche Apotheke, die ja auch mit dieser Karte arbeiten könnte, in jeder Form auszuschließen.

 

Im nächsten Begleitschreiben, wir dürfen annehmen, daß auch in der nahen Zukunft Gesetzte beschlossen werden, werde ich mir erlauben zu versuchen, Ihnen die Feinheiten dieser Chipkarte zu erläutern. Ich empfehle Ihnen daher mehr Nüsse zu essen.

 

 

Mit der nach den Gesetzen geziemenden Hochachtung!

Dr. Berndt, Apotheker und Untertan

 

 

 

Daten zur Statistik:                    61. Nachtrag         117,9g

                                                 62. Nachtrag           63,5g

                                                 63. Nachtrag         154,0g

                                                 64. Nachtrag           91,1g    relevantes Gesetzpapier

Jahresproduktion 1998 pro Apotheke                    526,5g

 

                                                 65. Nachtrag         145,3g

                                                 66. Nachtrag         202,4g

Halbjahresproduktion 1999                                    347,7g

 

Anlage: 2 Packerl alter Gesetzesblätter zur Durchsicht und Entsorgung