Dr. Edmund Berndt

Atterseestr.57

4860 Lenzing

 

Vizekanzler

Dr. Wolfgang Schüssel

Minoritenplatz 3,

1014 Wien                                                                         Lenzing, am 26.11.1999

 

 

Betreff: Entsorgung ausrangierter Gesetzestexte

8. Entsorgungslieferung nach dem „69. Nachtrag und Berichtigung der Gesetze und Verordnungen für die österreichischen ApothekerInnen" Oktober 1999

 

 

Hochgeehrte Exzellenz!

 

 

Unmittelbar nach den Urnengang kam schon die nächste Ladung Gesetze in die Offizin. So wird zu Ihrer Orientierung der Raum genannt, in dem die Apotheker noch arbeiten dürfen. Noch dürfen, hochverehrteste Noch-Exzellenz, dies können Sie durchaus wörtlich bzw. praktisch ernst nehmen. Wurde schon bisher nicht wenig Gesetz und Vorschrift ersonnen, um das Wirken der Apotheke immer mehr einzuschränken, so habe ich diesmal die Freude, Ihnen diesbezüglich einen weiteren nicht unwesentlichen Erfolg nennen zu können. Es betrifft diesmal vor allem wiederum, fast wie gewohnt, die Apotheken auf dem Lande, in den kleineren Dörfern und Märkten, also dort wo die Mitglieder des gemeinen Volkes, also Nahzuversorgende, vornehmlich wohnen.

 

Die Nachtdienstleistung wird ab 2000 arbeitszeit-technisch per Gesetz so behandelt, daß z.B. bei Erkrankung des Konzessionärs, des verpflichteten Mitarbeiters oder sonstigen widrigen Umständen allerweiseste Gesetze bei bestem Willen nicht einzuhalten sein werden.

 

Es spricht für den Scharfsinn und die Ironie von Ihnen und Ihresgleichen, gerade gegen den Nachtdienst und das Bereitschaftswesen Vurschriften zu erlassen, ist es doch eine Versorgungseinrichtung, die im Unterschied zum z.B. landärztlichen Notdienst nicht ständiger Zankapfel war. Daß gerade dieser Service im Notfall nun praktisch nicht mehr gesetzeskonform durchzuführen sein wird, paßt zur methodischen Eliminierung der Apotheke.

 

Die wider jede Aufklärung, Hausverstand und Vernunft aufgezwungene Strategie ist nicht ohne Perfidie. So wird, wenn z.B. der Apothekenleiter plötzlich verhindert ist, in der Offizin dem Gesetz entsprechend vor Ort anwesend zu sein, und ein angestellter Apotheker aus Pflichtbewußsein und Solidarität (das soll's ja auch noch geben) für den Nachtdienst einspringt, ersterer wegen Nichteinhaltung des Arbeitszeitgesetze bestraft. Entfällt aber der Nachtdienst, wird erst recht bestraft. Und dieses Schicksal lauert zukünftig mit amtlichem Segen.

 

Bisher konnte nämlich mit der Anstellung einer einzigen Apothekerin oder eines einzigen Apothekers zur Vertretung der abwesenden Apothekenleiterin oder des abwesenden Apothekenleiters gesetzkonform gearbeitet werden. Das ließ sich in Notfällen und für sonstige Abwesenheit gut organisieren. Aber ab sofort sind zu dieser Tätigkeit für eine Turnusdienstwoche Nachtdienst bei 7 aufeinanderfolgenden Tagen im günstigsten Fall mindestens zwei wenn nicht gar drei ApothekerInnen notwendig. Das probiere einer mal auf die Gschwinde vorschriftsgemäß und arbeiterkammergerecht (!) zu organisieren!!! Dies zu erklären, wie das genau geht mit Abrechnung, Lohnverrechnung usw. gelingt nicht einmal den Experten der Volkshochschule in einem 8 Stunden Kurs. Ich bitte Sie mir das zu glauben. Vertrauen Sie mir, ich bin eh kein Politiker! Zu Ihrem Kummer darf ich der guten Ordnung halber noch ergänzen, daß selbstverständlich z.B. eine Konzessionärin, auch wenn hochschwanger, eine Woche und mehr rund um die Uhr arbeiten darf. Hier ist noch ein wenig Handlungsbedarf!

 

Abgesehen von diesem Schönheitsfehler -nobody is perfect- wurde hier wie beim Mühlfahrspiel eine klassische Doppelmühle eingerichtet, der nicht zu entkommen ist, und die Parlamentarier, die Volksvertreter, sind ja nicht schuld, wenn der Apotheker so blöd ist, spitalsreif zu erkranken. Am Rande sei noch erwähnt, daß ein Urlaub somit praktisch nie mehr in die Bereitschaftsdienstwoche fallen kann und darf. Dieses aber darf ich annehmen, ist für einen, nicht zur Anwesenheit am Arbeitsplatz verpflichteten, Parlamentarier ohnehin logisch leicht zu begreifen.

 

Diese neuen ungeahnten Möglichkeiten zur Kriminalisierung ergaben sich durch die 1 zu 1 Übernahme von EU Arbeitszeitregelungen. War es bis jetzt schon meist zu kostspielig, für Landapotheker, sagen wir, 4 oder gar 5 Wochen wie ein gewöhnlich privilegierter Arbeitnehmer durchgehend zu urlauben, weil die Betriebsgröße keine weiteren Fachkräfte im Volldienst zur vorgeschriebenen Vertretung zuließ, so ist dies jetzt durch die neuen Arbeitszeitregelungen zusätzlich arbeitszeit-technisch unmöglich gemacht worden, womit neben der Finanzierbarkeit eine weitere Schikane zukunftsweisend eingerichtet wurde.

 

Falls Sie es bis jetzt noch nicht wissen sollten, sind ja die Apotheken per Gesetz verpflichtet offenzuhalten. Betriebsferien, Fortbildungsurlaube oder einfach Zwickeltage wie sie oft bei Ärzten, ärztlichen Hausapothekern etc. zu beobachten sind, oder gar Ruhezeiten wie die zweimonatigen Parlamentsferien gibt es nicht.

 

Es störte die Volksvertreter nicht im mindesten, daß mit den bisherigen Regelungen nach Kollektivvertrag, Arbeitszeitgesetz, Entlohnung und so weiter alle Beteiligten, insbesondere die angestellten Apothekerinnen und Apotheker, sehr zufrieden waren. So darf ich Ihnen nach besten Wissen und Gewissen mein Lob aussprechen, daß sich die heimischen Parlamentarier bzw. die Regierung einen feuchten Dreck scherten, und nicht so sorglos wie die Kollegen aus dem Parade EU-Land BRD verhielten, die diesen Regelungen nicht zustimmten, sondern die Pharmazie davon  ausnahmen. Lobenswerterweise wurde also die EU bei uns mehr als notwendig durchgesetzt.

 

Es ist Ihnen und Ihresgleichen Respekt für dieses politische Gespür zu zollen, denn nicht alle Tage ergibt sich die Gelegenheit Arbeitgeber und Arbeitnehmer in gleicher Weise zu vergraulen. Vielleicht haben Sie dereinst in Ihrer Wunschrolle als pensionierter Oppositionär irgendwo Zeit und Muße, sich von diesem Erfolg praktisch zu überzeugen. Die Freude jedenfalls über derart realitätsfremde Regelungen ist jedenfalls heute schon in den Gesichtern der Juristen und Arbeiterkämmerer zu sehen; es wird was zum Prozessieren, Verwaltungsstrafen und Anschwärzen geben, frei nach kakanischer Manier: „Zuerst lassen wir's nicht arbeiten und dann bestrafen wir's"! Soll'n schau'n, wo s’ bleib'n!

 

Abschließend darf ich Ihnen nach guter Übung das Gewicht der letzten Gesetzesmasse nennen. Es sind 190,5 g. Das 3/4 Kilo(!) wurde erreicht, was einer Überschreitung des prognostizierten Jahressolls um ca. 50 %, exakt 54,02% entspricht, und eine Steigerung von immerhin noch 46,25% gegenüber der Produktion von 1998 ist. Man sieht, wie Wahljahre zu Höchstleistungen beflügeln. In diesem Sinne haben Sie sich durchaus ein Anrecht auf etwas Erholung in der Opposition verdient, ohne befürchten zu müssen, daß die Gesetzesflut im Schnitt sinkt. In gewohnter Weise darf ich Ihnen das alte Gesetzpapier zur Durchsicht und Entsorgung überlassen. Desgleichen darf ich Ihnen noch weiteres Altpapier aus der Schriftenreihe "Apothekenbetrieb + Arzneimittelverkehr" zum Zeitvertreib und zur Entsorgung überlassen, bevor solche Papiere nur mehr Gegenstand eines vergangenen Berufes geworden sind.

 

Mit gesetzlich geziemender Hochachtung!

Dr. Berndt, Apotheker und Untertan

 

 

 

 

 

Daten zur Statistik:                            61. Nachtrag   117,9g

                                                            62. Nachtrag     63,5g

                                                            63. Nachtrag   154,0g

                                                            64. Nachtrag     91,1g

Jahresproduktion 1998 pro Apotheke                                    526,5g

 

                                                            65. Nachtrag   145,3g

                                                            66. Nachtrag   202,4g

                                                            67. Nachtrag   115,9g

                                                            68. Nachtrag   116,9g

                                                            69.Nachtrag    190,5g   relevantes Gesetzpapier

bis dato Produktion 1999                                           770,1g

 

Anlage: 1 Packerl alter Gesetzesblätter zur Durchsicht und Entsorgung

             2 Packerl Spezialerläuterungen zur Einhaltung von Gesetzen und Vorschriften